Telekom-Hotlines: Kunden zahlen fürs Warten
Eine saldo-Stichprobe zeigt: Wer auf die Hotlines der Telekomanbieter anruft, braucht häufig gute Nerven. Besonders Orange und Cablecom stellen die Geduld ihrer Kunden auf die Probe.
Inhalt
saldo 03/2010
14.02.2010
Letzte Aktualisierung:
16.02.2010
Sabine Rindlisbacher
Wie viel Zeit braucht es bei den Telekomanbietern Cablecom, Orange, Sunrise und Swisscom, um einen Hotline-Berater am Telefon zu sprechen? Bei der Stichprobe haben sich die Tester mit vier häufigen Anliegen durch die Menüführung der Hotlines geklickt und geprüft, wie viel Zeit verstreicht, bis man schliesslich einen Berater am Hörer hat.
Da die Hotlines je nach Tageszeit unterschiedlich stark ausgelastet sind, hat saldo mit jedem Anliegen zu jeweils fü...
Wie viel Zeit braucht es bei den Telekomanbietern Cablecom, Orange, Sunrise und Swisscom, um einen Hotline-Berater am Telefon zu sprechen? Bei der Stichprobe haben sich die Tester mit vier häufigen Anliegen durch die Menüführung der Hotlines geklickt und geprüft, wie viel Zeit verstreicht, bis man schliesslich einen Berater am Hörer hat.
Da die Hotlines je nach Tageszeit unterschiedlich stark ausgelastet sind, hat saldo mit jedem Anliegen zu jeweils fünf verschiedenen Tageszeiten angerufen. So ergibt sich für jedes Anliegen eine Durchschnittszeit (siehe Tabelle im pdf-Artikel). Gemessen wurde die Zeit von der Eingabe der Nummer bis zum ersten Kontakt mit dem Berater.
Am besten schneiden Sunrise und Swisscom ab. Bei ihnen dauerte es bis zum Kontakt mit einem Agenten im Schnitt rund 2 Minuten. Gut eine halbe Minute länger musste man bei Cablecom bis zum Kontakt mit dem Berater warten. Orange bildet bei allen Zeiten das Schlusslicht: Mit 3 Minuten 32 Sekunden warten hier Anrufer 1,5 Minuten länger auf den Kontakt mit dem Berater als Kunden von Sunrise und Swisscom.
Ein Testanruf blieb 3,5 Stunden in der Warteschlaufe hängen
Zwei Anrufe hat saldo für die Berechnung nicht berücksichtigt – sie dauerten so lang, dass sie als nicht repräsentative Ausreisser betrachtet wurden. Bei der kostenpflichtigen Cablecom-Hotline «Mobile connect bei Verlust» liess der saldo-Tester um 21 Uhr mehr als 16 Minuten verstreichen, bis er die Geduld verlor und auflegte. Am längsten wartete eine Testerin, die bei der ebenfalls kostenpflichtigen Sunrise-Hotline «Technische Unterstützung» anrief.
3,5 Stunden hielt sie an einem Nachmittag den Hörer in der Hand, bis sie den Anruf abbrach. Dieser kostete 16 Franken. Sunrise-Sprecher Hugo Wyler vermutet ein technisches Problem: «Wahrscheinlich ist die Dame in der Warteschlaufe hängengeblieben.» Die Firma verspricht, die Kosten in diesem Fall zu erlassen. Sunrise erhält täglich 15‘000 Anrufe.
Cablecom hat im Jahr 2003 noch viel besser abgeschnitten
Ein Vergleich zur letzten saldo-Stichprobe im Jahr 2003 zeigt: Cablecom hat sich markant verschlechtert. Damals liess die Firma mit einer durchschnittlichen Anrufzeit von 27 Sekunden die Konkurrenz weit hinter sich – in der aktuellen Stichprobe dauert der Cablecom-Anruf 2 Minuten 13 Sekunden länger. Mit fast 3 Minuten Anrufzeit war Sunrise damals der grosse Verlierer.
Auch bei Orange wartete man im Jahr 2003 durchschnittlich 2,5 Minuten weniger lang. Anders als die Konkurrenz bietet Orange mit bis zu 8000 Anrufen täglich nur eine einzige Hotline für sämtliche Kundenanliegen. Dies führt dazu, dass man bei der automatischen Menüwahl meist mehr Angaben machen muss als anderswo. Zudem müssen Kunden neben der eigenen Telefonnummer auch das Geburtsdatum angeben. So klickt man sich bei Orange gut 2 Minuten durchs Menü, bis die eigentliche Wartezeit beginnt.
Besonders ärgerlich: Wer die Orange-Hotline wegen Internetproblemen kontaktiert, erfährt nach 2 Minuten 40 Sekunden, dass man für technische Hilfe eine 0900er-Nummer wählen muss. Diese ist kostenpflichtig. Die Kunden verlieren durch die mühsame Prozedur viel Zeit.
Laut Orange-Sprecherin Therese Wenger will man Anrufer nicht länger als eine Minute warten lassen. Weshalb bietet Orange dann nur eine einzige Hotline an? Wenger: «So müssen sich Kunden nur eine Nummer merken.» Die erweiterte Menüführung könne zwar den Kontakt mit dem Berater verzögern. «Dafür muss der Kunde sein Anliegen nicht lange erklären und das Gespräch führt schneller zur Lösung.»
Nur Cablecom-Kunden müssen zu Beginn des Anrufs keine Telefonnummer angeben. Dadurch verkürzt sich der Zeitaufwand für die Menüwahl. Allerdings ist die folgende Wartezeit viel länger als bei der Konkurrenz. Die Stichprobe zeigt: Nach dem Durchklicken durch die Menüführung dauert bei Swisscom die durchschnittliche Wartezeit 40 Sekunden, bei Sunrise 50 Sekunden und bei Orange 55 Sekunden. Mit 1 Minute 31 Sekunden fällt Cablecom weit ab. Cablecom-Sprecherin Deborah Bucher ist der Ansicht, dass die saldo-Stichprobe mit «20 Anrufen im Vergleich zu den monatlich 200‘000 Anrufen bei Cablecom nicht repräsentativ ist.»
Die meisten Hotlines sind zwar kostenlos. Doch Sunrise und Orange wollen für technische Unterstützung Geld. Bei Anrufen vom Festnetz verlangt Sunrise «maximal 11 Rappen pro Minute». Anrufe vom Handy belastet Sunrise gemäss «den geltenden Minutentarifen des persönlichen Mobil-abos oder Prepaid-Angebots». Bei der 0900er-Nummer von Orange kostet die Minute immer 11 Rappen. Cablecom-Kunden, die einen Handy-Verlust melden wollen, zahlen bis 11 Rappen pro Minute.
Sunrise und Cablecom ohne Hinweis auf Kostenpflicht
Besonders negativ fallen Sunrise und Cablecom auf – sie verschweigen ihren Kunden am Telefon, dass diese auf eine kostenpflichtige Nummer anrufen. Und je länger sich die Kunden durchtippen und warten müssen, desto mehr zahlen sie – alle drei Anbieter verrechnen bereits die erste Sekunde des Anrufs.
Das schenkt ein: So rufen bei Sunrise täglich rund 5000 Personen wegen technischer Probleme an. Annahme: Wenn diese Hilfesuchenden vom Sunrise-Festnetz direkt auf die Technik-Hotline anrufen, kassiert Sunrise allein für die durchschnittlich 3 Minuten 45 Sekunden Anrufzeit bis zum Beraterkontakt mehr als 60‘000 Franken pro Monat.
Was die Kunden nicht wissen: Auch über die Menüwahl der Gratis-Hotline von Sunrise erreicht man das Technik-Team – und zahlt weder für den Anruf noch für die Beratung. Weshalb macht Sunrise keinen Hinweis zur Kostenpflicht bei der Technik-Hotline? Hugo Wyler: «Wir wollen die Wartezeiten so kurz als möglich halten.»
Orange: Geld zurück bei übermässig langen Wartezeiten
Selbst wenn Kunden lange warten müssen, erstattet Sunrise keine Gebühren zurück. Anders Orange: «Sollte es zu unerwartet langen Wartezeiten kommen, werden auf Verlangen die Kosten rückerstattet», sagt Sprecherin Therese Wenger. Cablecom schiebt den schwarzen Peter an Sunrise ab. Die beiden kostenpflichtigen Mobile-Hotlines für Cablecom-Kunden gehören eigentlich Sunrise. Cablecom fungiere bloss als Wiederverkäufer, der Sunrise-Produkte günstig anbiete – die Einnahmen aus den Hotline-Anrufen kassiere Sunrise.
Hotlines
Die Telekomanbieter unterhalten mehrere Hotlines mit verschiedenen Öffnungszeiten.
- Orange verspricht für seine 0800er-Hotline einen 24-Stunden-Service und bietet Rückrufe durch den Kundendienst an. Die kostenpflichtige 0900er-Nummer für technische Fragen wird während der ganzen Woche beschränkt bedient.
- Swisscom bedient die Mobile-Gratisnummer Tag und Nacht. Mit Fragen zum Festnetz muss man auch mal warten – zwischen 24 Uhr und 7 bzw. 9 Uhr sind die Leitungen geschlossen.
- Cablecom bietet eine Spezial-Hotline für Kaufwillige, die täglich bedient ist. Wer aber Fragen zu einer Rechnung hat, kann sie nur von Montag bis Freitag stellen.
- Sunrise unterhält für Rechnungen und Mahnungen zwei verschiedene Hotlines, will sich aber ebenfalls nur werktags mit den unangenehmen Anrufen befassen. Für den Verkauf von Produkten stehen bei Sunrise auch samstags Mitarbeiter zur Verfügung.
Immerhin: Den Verlust des Handys kann man überall rund um die Uhr melden. Eine nervliche Zerreissprobe bietet allerdings Orange. Dort kann man sich noch so oft durch die Menüführung klicken – für den Verlust des Handys besteht keine Wahlmöglichkeit. Orange will so versehentliche oder missbräuchliche Sperrungen verhindern. Hat man einen Berater am Draht, könne man den Verlust aber melden.